Über Richard Gohlke

 
 

Von Hans Joachim Friedrich anlässlich der Richard-Gohlke-Ausstellung des Zentralverbandes der Sozialversicherten, der Rentner und der Hinterbliebenen, Landesverband Hessen e.V.


(Auszug)

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Am 15. Oktober 1904 in Berlin geboren, im Sternzeichen der Waage, wurde ihm das feinsinnige Kunstempfinden bereits in die Wiege gelegt. Wenn Gott allen Menschen nur das Temperament Waage gegeben hätte, würde der Menschheit der ewige Weltfriede beschieden sein. Sein Streben nach Harmonie ist so stark, daß man diesen balancierten Typ eigentlich weder als extravertiert noch als introvertiert definieren kann. Maler wie Lucas Cranach, Hans Thoma, Arnold Böcklin, A. Ludwig Richter und Antonio Canaletto waren Waage-Menschen.

Schon als kleines Kind im Alter von drei Jahren regte sich bei Gohlke die Lust zur kleinen "Asphaltmalerei". Dieser früh geübte Kindeseifer entwickelte sich in ihm als ein unbewußter vorausgeahnter Drang der modernen "Pflastermalerei", wie man ihn z.B. heute von begabten jungen Menschen als Boulevardkunst auf dem Kurfürstendamm beobachten kann. Wenn es seinem Vater nach gegangen wäre, wäre aus ihm ein Industrie-Kaufmann geworden. Ja er lehnte die Empfehlung der Schule, die Kunstakademie zu absolvieren und ein Stipendium rundweg ab.

Doch der reifer werdende Richard nahm seine Liebhaberei zur Malerei sehr ernst und plante im Stillen, sie einmal als Kunst zu entwickeln. So kam es nach seinem "Einjährigen" dennoch zu einem Studium an der Kunst- und Gewerbeschule in Berlin. Seine Eltern willigten ein. Nebenbei betrieb Gohlke seine Studien, bekleidete aber zur Freude der Eltern 34 Jahre lang als angesehener Beamter eine gut besoldete Stellung in der Berliner Stadtverwaltung. Hier hatte er oft Gelegenheit, die Menschen zu studieren, wobei mit dem Zeichenstift manches ihn reizende Motiv während einer Pause festgehalten werden konnte.Bei Stalingrad wurde er verwundet - das rettete ihm das Leben.

Wiederhergestellt hatte Richard Gohlke nach gewisser Zeit Gelegenheit, bereits in vielen Berliner Bezirken Ausstellungen seiner Malkunst der Öffentlichkeit vorzuführen. Es folgten Reisen im In- und Ausland. So erreichte er nicht nur als Illustrator, sondern auch als sehr beachtlicher Bildniskünstler allgemeine Wertschätzung. Dies bezeugt auch seine Sammlung von vielen Skizzenblöcken mit Zeichnungen aus Deutschland und den Nachbarstaaten. Niemals vergaß sein geschultes Malerauge das Berliner Milljöh, wie es einmal war, wie es lachte und weinte, mit dem Zeichenstift und Pinsel in den Menschen wachzurufen. Längst war er freier Mitarbeiter bei vielen Verlagen und illustrierte nach seinem Empfinden alles was ihm menschlich dafür geeignet war.

Lange Jahre verband ihn sozusagen eine "Künstlerehe" mit dem späteren Schriftsteller und Lyriker Robert Liese, ebenfalls ein Kind der Spree. Über 10 Jahre lang arbeitete er mit ihm zusammen und illustrierte über 10 Bücher mit rund 500 Gedichten, die sowohl im deutsch-sprachigen Raum als auch im Ausland geschätzt wurden. Liese, zuletzt in Lankwitz zu Hause, schrieb in Mundart "Berliner Poesie", "Das Geheimnis der Spürnase", eine Erzählung für jung und alt, "Träume, Wandern und Liebe von A bis Z" in zwei Bänden, "Willkommen! Aus Berlin?" und vieles andere. Richard Gohlke war es, der auf alle seine Verse eine Karikatur als I-Tüpfelchen setzte.

In den 60er und 70er Jahren arbeitete Richard Gohlke mit Franz Berndal zusammen, der vor drei Jahren verstarb, und dem jetzt im Mai 1986 die große Ehre zuteil wird, einen Namenstein in der einmaligen Anlage zur Erinnerung der Größen unserer Literaturgeschichte, die sich in Offenhausen bei Wels in Österreich befindet, zu bekommen. Weisheit und Erfahrung sprachen aus seinen Gedichten. In seinem Buch "Det kann nur een Berliner sein" und später in "Herz für Berlin" mit Zeichnungen von Richard Gohlke schrieb er viele lustige Gedichte in Berliner Mundart.

Dieses Buch ging bald nach Amerika und wurde dort im Rundfunk und Fernsehen vorgestellt. Dieses Ereignis führte dazu, daß beide, Berndal und Richard Gohlke, zu Ehrenmitgliedern des Europäisch-Amerikanischen Forschungs- und Kulturwerks Eurafok aufgrund der großen Verdienste um Kunst und Wissenschaft - nach den Worten der Urkunde vom 15. Mai 1971 - ernannt wurden.

Im Kreuzberger Bezirk, so schildert Franz Berndal einmal, wo er Vorträge und Lesungen durchführte, kursierte das Wort über Gohlke, "er wäre ein kleiner Zille"!

Lange Jahre hatte das Monatsprogramm des Deutschlandhauses in Berlin am Anfang eine kleine Illustration von Gohlke, es zeigte eine große Sonderausstellung über "Große Ostdeutsche", die immer wieder verlängert wurde. Ferner hatte Gohlke in der dazugehörigen Ladengalerie eine sehenswerte Ausstellung seiner Werke. "Aus der Kaiserzeit" nannte sich eine weitere Ausstellung mit originellen Bildern, nicht zuletzt die Ausstellung "Aus dem Kessel Stalingrad". Insgesamt illustrierte Richard Gohlke 20 Bücher. Für die Berliner Morgenpost porträtierte er sich übrigens selbst - mit der Feder.

Seine eigentliche Vorliebe galt neben den Städtezeichnungen Menschen und Tieren, die sich bewegten. Viele Tänzerinnen der Deutschen Oper hat Richard Gohlke mit seinem verhaltenen Strich verewigt. Die Zahl seiner Zeichnungen geht in die Tausende. Diese Ausstellung zeigt nur einen Teil der Arbeiten von Richard Gohlke, der sich jetzt nach dem Tode seiner Frau in Isernhagen bei Hannover zur Ruhe gesetzt hat.

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Über Richard Gohlke (aus einer nicht genannten Zeitung)


  1. 1904 in Berlin geboren.

  2. Zeichnet und malt seit seinem dritten Lebensjahr.

  3. 1913 Stipendium für das Studium an der Kunstakademie Berlin vom Vater abgelehnt.

  4. Mittlere Reife.

  5. Kaufmännische Ausbildung.

  6. Angestellter und später Finanzbeamter in der Stadtverwaltung 1932 bis 1966.

  7. Nebenberuflich Studium als Graphiker und Maler an der Kunstgewerbeschule Berlin.

  8. Soldat von 1942 bis 1945 (Stalingrad). Verwundet.

  9. 1947 Anerkennung als freischaffender Künstler durch das Hauptamt Kunst des Magistrats Berlin.

  10. Ausstellungen in mehreren Berliner Bezirken.

  11. Freier Mitarbeiter in Berliner Verlagen, Roland von Berlin, Kurier, Nachtdepesche u.a.

  12. Illustration mehrerer Bücher.

  13. Studienreisen nach Italien, Dänemark, Südfrankreich, England...

  14. Gilt als Idylliker. Seine sozialkritischen Arbeiten und sein Pinselstrich erinnern oft an Heinrich Zille.

Aus Berlin Aktuell, PORTRÄT


"Mein Kollege Rembrandt"

"Ist das nicht Zille", fragen viele unwillkürlich, wenn sie eine Zeichnung des Berliner Künstlers Richard Gohlke in den Händen halten. Der nervöse, fein und oft scheinbar unmotiviert unterbrochene Strich vieler seiner Zeichnungen deutet in der Tat auf eine nahe Verwandtschaft hin. Doch Gohlke beherrscht nicht nur diese eine künstlerische Technik. Er kann auch mit der Exaktheit eines Mathematikers alte Berliner Gebäude auf den Zeichenblock bannen. Wenn er diese beiden Stilelemente vereinigt, dann ist er unvergleichbar, dann gibt es nur die Identität mit ihm selbst.


Gohlke, dessen Zeichnungen in rund 10 Büchern veröffentlicht wurden und der für zahlreiche Zeitschriften arbeitet, wohnt im Berliner Künstlerviertel Kreuzberg. Dennoch sucht man bei ihm vergeblich nach einem Hauch von Bohème. Seine Wohnung in der Lindenstraße - drei Meter von der Mauer entfernt - macht einen gutbürgerlichen Eindruck, und sein Arbeitsplatz im Wohnzimmer, ein kleiner Schreibtisch, unterscheidet sich nicht von Millionen Schreibtischen in anderen bundesdeutschen Wohnstuben. So unauffällig, wie die Umgebung, in der er arbeitet, ist auch der Lebensweg des heute 66 jährigen Zeichners.:

"Entdeckt" wurde der damals sechsjährige Richard Gohlke von einem Straßenfeger, als der gerade Eingeschulte sich in der Breslauer Straße am Schlesischen Bahnhof als Pflastermaler betätigte. Mit einfacher Kreide zeichnete der Indianer auf das Pflaster und Neugierige scharten sich um ihn. Ein vorbeikommender Straßenfeger rief rauh aber herzlich in Berliner Mundart: "Det Aas kann Watt!"


Kaum aus der Volksschule entlassen, bot sich für Richard Gohlke die Möglichkeit, ein Stipendium für die Kunstakademie zu bekommen. Doch der Vater: "Lern erst mal einen anständigen Beruf." So begann Richard Gohlke als kaufmännischer Lehrling mit Geschäftsbüchern und Akten zu leben, während er viel lieber mit dem Zeichenblock gelebt hätte.

In der Zweit der Arbeitslosigkeit saß auch Gohlke trotz des "anständigen Berufes" auf der Straße, und gerade das so geschmähte Talent brachte ihn über die Runden: Er arbeitete gelegentlich als Reklamezeichner, bis er 1931 eine Anstellung bei der Stadtverwaltung bekam. Er wurde Beamter und blieb es bis zu seiner Pensionierung. Daß er unter Aktenstapeln bisweilen einen Zeichenblock versteckte, nahm ihm niemand übel. Im Gegenteil: Häufig kamen Kollegen und baten Richard Gohlke um eine Zeichnung für irgendeinen familiären Anlaß. Gohlke sagte nie nein. Wurde er von Kollegen nach seinem Honorar befragt, erklärte er stets: "Mein Kollege Rembrandt nahm fünf Goldstücke. Mir reichen fuffzich Pfennige."

Ein ruhiges Pensionärsleben führt der "beamtete Zeigern" auch heute nicht: In drei Verlagen werden in diesen Wochen Bücher von ihm vorbereitet.



Bücher mit Zeichnungen von Richard Gohlke



Liese, Robert

Als Berlin zertöppert war

Texte in Berliner Mundart. Mit Zeichnungen von Richard Gohlke.

Darmstadt Bläschke Verlag, 1978. 79 S.


Träume, Wandern und Liebe von A-Z

Texte in Berliner Mundart. Mit Zeichnungen von Richard Gohlke.

Darmstadt: Bläschke Vlg., 1977. 92 S., ISBN: 3875615689 (EAN: 9783875615685 / 978-3875615685)


Das Waandern

Edition Die Protographie (Gebundene Ausgabe - 1969). Mit Zeichnungen von Richard Gohlke.


Berliner Skizzen

Edition Die Protographie (Gebundene Ausgabe - 1968). Mit Zeichnungen von Richard Gohlke.


Eros klopft an

J. G. Bläschke Verlag, 1975. Mit Zeichnungen von Richard Gohlke.

79 Seiten, ISBN-10: 3875613759 (3-87561-375-9) ISBN-13: 9783875613759 (978-3-87561-375-9)


Berlinische Poesie

J.G. Bläschke Verlag, 1972. Mit Zeichnungen von Richard Gohlke.


Das Wandern

Hintergründige Verse auf einige der 279 Arten des Wanderns

1969. 128 S. Mit Zeichnungen von R. Gohlke


Berlinische Poesie

J.G. Bläschke Verlag, 1972. Mit Zeichnungen von Richard Gohlke.


Bloss jesponnen

Texte in Berliner Mundart

Bläschke, [1978].  Mit Zeichnungen von Richard Gohlke.

ISBN: 3875617371


Willkommen!, aus Berlin?

Bläschke 1972. Mit Zeichnungen von Richard Gohlke.


Urlaub in Berlin

Texte in Berliner Mundart

Bläschke, 1976. Mit Zeichnungen von Richard Gohlke.


'n prima Buch in Berliner Mundart

Bläschke 1978. Mit Zeichnungen von Richard Gohlke.


Nachholebedarf

Texte in Berliner Mundart

Bläschke 1977. Mit Zeichnungen von Richard Gohlke.



Berndal, Franz

Herz für Berlin

Verse in Berliner Mundart. Mit Zeichnungen von Richard Gohlke.

Wien, Europäischer Verlag, 1970, 36 S.



Drack, Hanna Maria

Flips, Flapsi und der Großvater

Umschlag und llustrationen Richard Gohlke - Berlin

Giebichenstein-Verlag, 1974, 54 S.



Frese, Else-Caroline

Rosinen im Alltag. Märkische und Berlinische Anekdoten. 1. Auflage,

Selbstverlag, um 1970, mit Zeichn. von Richard Gohlke, 100 S.



Brüning, Erika

Das Berliner Herz, 1983, M. e. Vorw. v. Curth Flatow,

mit 11 Abb. nach Zeichnungen v. Richard Gohlke

Das eBook „Am Rande von Stalingrad“ nach dem Manuskript und den Feldpostbriefen aus dem Stalingrad-Kessel von Richard Gohlke gibt einen Einblick in sein Leben während des 2. Weltkrieges.